Heinz Gutzmann
Laudatio zum 25jährigen Jubiläum der LG Saar 70
Herr Vorsitzender, liebe Freunde der LG Saar 70, meine sehr verehrten Damen und Herren,
es ist für mich eine besondere Ehre, heute die Laudatio halten zu dürfen auf eine Leichtathletik-Gemeinschaft, die in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum feiert. Vor 25 Jahren hatten Vertreter aus 5 Vereinen das Wagnis unternommen, im Kreis Neunkirchen diese Gemeinschaft – die LG Saar 70 – zu gründen. Das Ziel war, in dieser Region der Leichtathletik mehr Bedeutung zu geben und mit anderen Leichtathletikzentren in sportliche Konkurrenz zu treten.
Die Gründer waren sich darin einig, dass hier Neuland mit all seinen organisatorischen und finanziellen Schwierigkeiten betreten wurde. Man wusste sehr wohl, dass die Leichtathletik eine technisch sehr aufwendige und zeitraubende Sportart ist und dass die Akteure als ausgeprägte Individualisten nicht immer leicht zu führen sind. Dennoch hat man diesen Schritt der Neugründung gemacht; gemeinsame Ziele, verantwortungsvolle Mitarbeit und Toleranz konnten auftretende Schwierigkeiten überwinden.
Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit im Saarländischen Leichtathletik-Bund konnte ich den sportlichen Weg der LG Saar 70 kritisch und mit Interesse sowie Sympathie verfolgen. Es ist heute angebracht, all denen Dank zu sagen, die in diesen 25 Jahren Verantwortung getragen haben, den Führungskräften, den Trainern und Übungsleitern und nicht zuletzt den Athletinnen und Athleten. Sie alle haben die LG Saar 70 zu dem gemacht, was sie heute ist, eine in sich festgefügte sportliche und menschliche Gemeinschaft mit Ausstrahlung auf nationaler und internationaler Ebene.
Vor 5 Jahren wurde anlässlich des 20jährigen Jubiläums in der Festschrift das „Wagnis LG Saar 70″ mit einem Sprungversuch im technisch anspruchsvollen Stabhochsprung verglichen. Die damalige Feststellung, darin sind wir uns einig, gilt auch heute noch: Der Versuch ist geglückt, es ist zu einer weichen Landung gekommen.
Meine Damen und Herren, erinnern wir uns: Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre genoss die Leichtathletik allgemein ein hohes Ansehen. Im Landessportverband für das Saarland war der Saarländische Leichtathletik-Bund eine sportliche und gesell-schaftliche Größe. Die 1969 in Saarbrücken mit großem Erfolg durchgeführten Deutschen Jugend-Leichtathletik-Meisterschaften hatten dies eindrucksvoll bestätigt. Die Erfolge der deutschen Leichtathleten bei den Olympischen Sommerspielen in München gaben auch der saarländischen Leichtathletik weiteren Auftrieb.
In diese Euphorie wuchs auch die LG Saar 70 hinein. Schon im Gründungsjahr zeigte sich, dass hier in der Mitte des Saarlandes mit der LG Saar 70 eine ernstzunehmende sportliche Konkurrenz heranwuchs.
Wer kennt sie nicht, die Namen der ersten von der LG Saar 70 gestellten saarländischen Meister? Es waren Ortrud Schmidt über 100m und 200m, Marlene Drumm (Tag) im Diskuswerfen und die 4x400m-Staffel mit Rudi Lengert, Wolfgang Joachim, Helge Wunn und Jürgen Hilpert. 131mal erschien der Name der LG Saar 70 in der Bestenliste 1970 des SLB. Besonders beeindruckt dabei die Vielzahl der Staffeln und der Mehrkampfmannschaften in den Jugend- und Schülerklassen. Neun Athletinnen und Athleten wurden im Gründungsjahr in die Auswahlmannschaften des Saarländischen Leichtathletik-Bundes berufen.
Schon früh wurde ein Name bekannt, der im Laufe der Jahre zu einem Markenzeichen der LG Saar 70 werden sollte, der Name Sahner. Im Jahre 1 wurde Willi Sahner mit der Weite von 51,78m Rekordhalter im Hammerwurf der B-Jugend, im Jahr 21 nach LG Saar 70- Zeitrechnung, nämlich 1991, wurde derselbe Athlet Deutscher Seniorenmeister in der gleichen Disziplin. Sein Bruder Manfred warf mit 27,84m neuen Schülerrekord. Mit den Brüdern Markus und Christoph wurde dann einige Jahre später das Familienquartett vervollständigt. Einen weiteren Rekord stellten die Schüler Vogtel, Stadler, Schulz, Klein und Kupplich im Mannschaftsvierkampf auf. Das alles war ein verheißungsvoller Auftakt; auf ihm konnte mit Weitsicht und Engagement aufgebaut werden. Bald gab es auch die ersten Erfolge über die Landesgrenzen hinaus. Die 4x100m-Staffel mit Joachim, Lauermann, Wolter und Mohr wurde bei den Süddeutschen Meisterschaften in Sindelfingen Fünfter. 1974 belegte Doris Scheidt bei den Deutschen Schüler-Meisterschaften im Speerwerfen einen 6. Platz. Ihre Schwester Petra wurde ein Jahr später, auch im Speerwerfen, deutsche Vizemeisterin in der Schülerinnenklasse. Weitere Platzierungen bei deutschen Titelkämpfen gab es in den folgenden Jahren durch Harald Janes, der 1982 auch Europameister der Polizei im Dreisprung wurde, sowie durch Eva Schäfer, Michael Huber und Barbara Bruce-Micah. Am 10. August 1981 schlug dann in Frankfurt/Main die große Stunde für einen Athleten der LG Saar 70: Christoph Sahner wurde Deutscher Jugendmeister im Hammerwerfen mit der Weite von 69,82m. Ich erinnere mich noch gerne an den Zweikampf zwischen Christoph und dem allseits erklärten Favoriten Marc Odendahl von der LG Bayer 04 Leverkusen. Mit diesem Erfolg in Frankfurt begann für Christoph Sahner eine bemerkenswerte sportliche Karriere: mehrfacher Deutscher Jugendmeister, Deutscher und Europäischer Juniorenmeister, Deutscher Meister, Teilnehmer an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Und heute? Heute stellt sich dieser Ausnahmeathlet als Trainer dem Nachwuchs zur Verfügung. Wahrlich eine vorbildliche Einstellung. Groß ist die Zahl der Athletinnen und Athleten, die sich Meistertitel auf Landes- und Regionalebene erkämpfen konnten. Sie alle zu nennen, dazu fehlt heute leider die Zeit. Ich bin mir aber sicher, dass ihre Leistungen in der Vereinschronik gebührend gewürdigt werden. Lassen Sie mich dennoch aus diesem großen Kreis der Athleten drei namentlich nennen. Barbara Bruce-Micah, Katrin Eckert und Uwe Eisenbeis. Barbara ist die bisher erfolgreichste Athletin der LG Saar 70; alleine 29 Landesmeistertitel konnte sie bisher auf sich vereinigen, achtmal wurde sie in SLB Auswahlmannschaften berufen. Katrin wurde 1993 Deutsche Schülermeisterin im Vierkampf und im Blockwettkampf. 1994 konnte sie ihren Titel im Blockwettkampf erfolgreich verteidigen. Sie ist das Mehrkampftalent in der saarländischen Leichtathletik, und gerade ihr wird man in Zukunft die erforderliche Aufmerksamkeit schenken.
Schon früh in den Schülerklassen wurde man auf Uwe Eisenbeis aufmerksam. Zuerst betätigte er sich erfolgreich in vielen Disziplinen der Leichtathletik. Heute ist er einer der besten Nachwuchssprinter im Bereich des DLV. 1992 wurde Uwe Deutscher B-Jugendmeister im 100m-Lauf in 10,83s, 1993 Deutscher A-Jugend-Vizemeister in 10,67s über die gleiche Distanz. 1994 erkämpfte sich Uwe bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in den Sprintstrecken zweimal Platz 4. Diesen Platz schaffte er auch als Mitglied der 4x100m-Juniorenstaffel des DLV bei den Junioren-Europameisterschaften in San Sebastian. Bei den Junioren-Weltmeisterschaften in Lissabon lief Uwe mit dem DLV-Quartett auf Platz 6. Die drei Genannten werden bei verantwortungsbewussten Betreuern auch weiterhin ihren erfolgreichen sportlichen Weg gehen.
Die eigentliche Stärke der LG Saar 70 liegt in der Breitenarbeit. Wer die Möglichkeit hat, in die Bestenlisten des SLB der letzten 25 Jahre Einblick zu nehmen, der wird feststellen, dass die LG Saar 70 in den Mannschaftsmeisterschaften und in den Mehrkämpfen stets eine führende Stellung eingenommen hat.
Meine Damen und Herren, die Gründung der LG Saar 70 vor 25 Jahren war für die saarländische Leichtathletik und damit auch für den Saarländischen Leichtathletikbund ein Gewinn. Von den jüngsten Schülerinnen- und Schülerklassen bis hin zu den Senioren hat die LG Saar 70 die olympische Sportart Leichtathletik angeboten. Dabei sind bisher 221 Landesmeister gestellt worden, wobei die bis hin zu Deutschen Meisterschaften erfolgreichen Senioren nicht einmal mitgerechnet sind. Bei nationalen und internationalen Meisterschaften wurden 23 Platzierungen erreicht. Sieben Deutsche Meister, ein Europameister, ein Europa-Junioren-meister kamen aus den Reihen der LG Saar 70.
13mal erfolgte eine Berufung in die Nationalmannschaften des DLV und 261mal eine Berufung in die SLB-Auswahl. Für viele von Ihnen sind dies vielleicht nur Daten von statistischem Wert. Aber was steckt alles hinter diesen Zahlen? Bezüglich der Aktiven Fleiß, Ausdauer, teilweiser Verzicht auf bestimmte Annehmlichkeiten des Lebens, aber auch Freude an der Bewegung, Begeisterung, Stolz und Aner-kennung. Bezüglich der Funktionäre: Idealismus, Pflichttreue, Liebe zum Verein und seinen Athleten, nicht zuletzt die Bereitschaft, so manches Zeitopfer zu bringen…
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, zu diesem Punkt noch einige Anmerkungen. Die Verantwortlichen in unseren Vereinen müssen sich, wenn es um die Zukunft ihrer Vereine angesichts rückläufiger Mitgliederzahlen bei Jugendlichen, angesichts nach-lassenden ehrenamtlichen Engagements und zunehmender Kon-kurrenz kommerzieller Anbieter geht, die Frage stellen: Sind unsere Vereine Auslaufmodelle, oder bleiben sie auch für die Zukunft Solidargemeinschaften?
Ich meine, unsere Vereine müssen auch weiterhin ein Ort sein, wo nicht nur Bewegung und Spiel, Gesundheit und Leibeskultur im Mittelpunkt stehen, sondern wo auch Gemeinsinn und Solidarität gelebt und wo diese Werte eingeübt werden; über alle Aktivitäten hinweg müssen unsere Vereine Gemeinschaftserlebnisse und Lebensqualität bieten. Wenn unsere Vereinsfunktionäre hiervon überzeugt sind oder hiervon überzeugt werden können, dann wird sich die Frage nicht stellen, ob der Sport noch den Verein braucht.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammen-hang eine persönliche Prognose wagen. Die Leichtathletik wird in der Zukunft einen schweren, aber auch interessanten Weg gehen. Sie muss sich damit abfinden, dass das Wachstum des Sports nicht gleichbedeutend sein wird mit einem Wachstum der Leichtathletik. Es wird immer schwieriger werden, Kinder und Jugendliche für das Training und die Wettkämpfe der Leichtathletik zu gewinnen. Die Leichtathletik mit ihren Grundforderungen bezüglich Schnelligkeit, Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit verliert im Schulsport immer mehr an Einfluss und Bedeutung. Der jährliche Wettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ ist, was die Leichtathletik angeht, immer mehr zu einer Alibi-Veranstaltung degeneriert. Ich meine, die dort investierten finanziellen Mittel wären weitaus besser eingesetzt, wenn sie direkt der Nachwuchsarbeit der Verbände zugute kämen.
Es wird für die Zukunft der Vereine wichtig sein, sich mehr um eine Breitenarbeit zu bemühen. Die Leichtathletik muss sich, auch wenn sie eine leistungsorientierte Sportart ist, neuen Zielgruppen öffnen. Sie muss beweisen, dass sie auch eine interessante Freizeittätigkeit ist. Das, was die Leichtathletik in der Vergangenheit vor allem bei der Jugend so interessant gemacht hat, ist die enge Verbindung von messbarer individueller Leistung und Mannschaftserlebnis. Wer dies erfahren hat, für den wird gerade die Leichtathletik zur unverzichtbaren Lebensbereicherung. Alt und Jung, die Sie hier in der LG Saar 70 deren 25jähriges Bestehen feiern, sind dafür ein Beweis.
Die Entwicklung im Deutschen Leichtathletik-Verband läuft leider darauf hinaus, dem Mehrkampf weniger Beachtung zu schenken. Der Mehrkampf ist für die Medien und die Sponsoren weniger attraktiv, weil er sich nicht so gut vermarkten lässt wie Einzel-disziplinen und große Sportfeste. Ich hoffe, dass der Saarländische Leichtathletik-Bund und seine Vereine diesem Trend nicht folgen werden. Hier sollte auch die LG Saar 70, die sich ja jahrzehntelang um den leichtathletischen Mehrkampf verdient gemacht hat, ihr Veto einlegen. Es darf nicht sein, dass der Grundsatz „Von der Breite zur Spitze“ aufgegeben wird, genauso wenig wie der Grundsatz vom Vorrang einer vielseitigen leichtathletischen Grundausbildung.
Meine Damen und Herren, bei all den beachtlichen sportlichen Erfolgen der LG Saar 70, die ich nur unvollständig ansprechen konnte, darf die geleistete allgemeine Jugendarbeit nicht vergessen werden. Der Sportverein, oder wie bei der LG Saar 70 die sportliche Interessengemeinschaft, ist neben den vielfältigen sportlichen Aktivitäten immer auch ein Forum zur Einübung demokratischer Verhaltensweisen. Er übernimmt, gewollt oder ungewollt, immer auch sozialpolitische Aufgaben, die positive Einflüsse ausüben können auf die Bildung und Führung vor allem junger Menschen. Auch hier, so meine ich, haben sich die Verantwortlichen der LG Saar 70 über 25 Jahre hinweg diesen Aufgaben verpflichtet gefühlt; dafür sollte man ihnen ganz besonders danken.
Meine Damen und Herren, die Ablaufmarke, die man sich in der LG Saar 70 im Jahre 1970 setzte, hat gestimmt. Heute ist diese LG sportlich und gesellschaftlich aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken. Dennoch wird man sich in Zukunft unvorhersehbaren Herausforderungen stellen müssen, die letztendlich nur dann gelöst werden können, wenn diese Gemeinschaft über genügend kreative ehrenamtliche Mitarbeiter, Trainer und Übungsleiter verfügen kann und wenn ihr weiterhin die Unterstützung und die Sympathien der breiten Öffentlichkeit zuteil werden.
Dass dies stets der Fall sein möge, das wünsche ich der LG Saar 70 für die nächsten 25 Jahre.